Einblick in die Betreuung und Aktivierung

Was ist Aktivierung und für was ist es überhaupt gut?

Aktivierung ist eine Art der Alltagsbeschäftigung, egal ob körperlich oder seelisch. Es ist wichtig, dass man auch im Alter Aktivierungen macht. Es gibt Abwechslung im Alltag und fördert die Ressourcen der Bewohnerinnen und Bewohner. Viele Bewohner mögen das Aktivierungsprogramm, da so die Zeit schnell vergeht und sie in soziale Interaktion kommen. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner ist anders und mag deshalb auch andere Aktivierungen. Bei uns in der Sonnhalde wird immer ein abwechslungsreiches Wochenprogramm zusammengestellt. Die Planung wird gut sichtbar im Haus verteilt (z.B. im Lift). Es gibt verschiedene Tätigkeiten zum machen, wie z.B. Rollatorgymnastik, Spielnachmittage, Vorlesen, Handarbeiten usw.
Gerne berichte ich im nachfolgenden Text über meine 2 Einblickstage im Bereich Aktivierung.

1. Tag (31.10.2023)

Start 08:00 Uhr. Ich kam am Morgen mit dem Velo und warm eingepackt in die Sonnhalde. Ich musste mich  nicht wie jeden Morgen in meine Pflege-Arbeitskleidung werfen, sondern konnte in meinen privaten Kleider arbeiten. Eva (unsere Aktivierungsfachfrau) und ich haben zusammen angeschaut was das Ziel der Aktivierung ist und was wichtig ist. Wir haben auch den Tagesablauf besprochen. Wir haben die Zeiten eingeplant und ich habe schnell bemerkt, dass viel auf dem Programm steht. Mir war sofort klar, dass die Zeit schnell vorbei gehen wird.

Bei uns gibt es ab 8:00 Uhr immer das Frühstück. Die Bewohnerinnen und Bewohner kommen individuell in den Speisesaal um das Frühstück einzunehmen. Um 8:30 Uhr waren die ersten Bewohner schon fertig. Ich ging in den Speisesaal und fragte eine Bewohnerin ob sie mit mir in die Aktivierung kommen möchte um bei den Dekorationen für die Weihnachtsgeschenke zu helfen. Wir haben gemeinsam geschaut wo sie helfen kann, es klappte nicht von Anfang an, aber wir haben eine Lösung gefunden so, dass sie ihre Ressourcen trotz ihren körperlichen Einschränkungen nutzen konnte. Es war sehr spannend ihr zu zuhören, da sie viel von früher erzählt hat. 

Um ca. 9:30 Uhr waren wir fertig und ich begleitete sie wieder nach oben. Die nächste Arbeit stand schon vor der Tür. Ein freiwilliger Helfer kam, um mit drei Bewohnerinnen und Bewohner zu jassen. Ich brachte die ausgewählten Bewohner nach unten in den Speisesaal und habe das Jass vorbereitet, damit sie direkt starten konnten. Während sie spielten, haben wir zNüni gegessen und besprochen wie es weiter geht. 

Und schon war 10:00 Uhr. Es gibt immer etwas zu tun, wir haben einige Bewohner bei denen wir die Beine mit Binden (Kompressionstherapie) einbinden. Die Binden werden nach dem Gebrauch gewaschen und aufgehängt. Jetzt ist es jedoch so, dass sie noch aufgerollt werden müssen, dies ist auch eine Alltagsbeschäftigung für unsere Bewohner. Wir gingen die Beinbinden verteilen und haben die Bewohner angeleitet oder ihnen geholfen wenn etwas nicht klar war. Diese Aufgabe ist besonders gut für das erhalten und fördern der Feinmotorik unserer Finger. 

Um 10:30 Uhr war das Jassen mittlerweile zu Ende. Bewohner und Bewohnerinnen welche nicht mehr gut alleine zurück in das Zimmer gehen konnten haben wir begleitet. Anschliessend haben ich die Dekoration für die Weihnachtsgeschenke angeschrieben. Eva hat in dieser Zeit die Geschenkliste vorbereitet. In der Sonnhalde ist es so, dass jeder Bewohner ein Weihnachtsgeschenk bekommt. Um zu wissen was sie gerne möchten gingen wir von Zimmer zu Zimmer und haben versucht heraus zu finden an was sie Freude haben könnten. Es gab Bewohner welche klar sagen konnten an was sie Freude haben oder was sie gebrauchen könnten. Jedoch gab es auch sehr bescheidene Bewohner, welche nicht genau wussten was sie sagen sollten. Wir haben auch intensive Gespräche mit allen geführt, es hat mich zum Teil sehr berührt was sie mir erzählt haben. 

Die Zeit verging schnell und wir haben um 12:30 Uhr eine kleine Mittagspause gemacht. Wir haben gegessen und später nochmals besprochne wie der Ablauf vom Nachmittag wird. Es gab in der Zwischenzeit immer wieder ein Telefonat oder etwas zum dokumentieren und aufräumen. Bis jetzt verging die Zeit wie angenommen, wie im Flug. Manchmal hätte ich mir gewünscht etwas mehr Zeit zu haben um den Bewohnern noch länger zuhören zu können, jedoch musste die ganzen Arbeiten welche noch anstanden, erledigt werden.

Heute war der Spielnachmittag angesagt, ich habe um 14:00 Uhr mit Eva zusammen geschaut was es für Spiele gibt. Ihr war wichtig, dass man ein Spiel macht bei dem alle aktiv mitspielen können und kein Konkurrenzkampf entsteht. Es war wichtig, dass alle miteinander spielen können und nicht gegeneinander. Das fand ich ein sehr spannender Ansatz. Ich habe mir noch gar nie überlegt welches Spiel so ist. Dann ging ich es im Speisesaal vorbereiten. Eva und ich haben die Bewohnerinnen und Bewohner zum zVieri gerufen und haben gefragt wer Interesse hätte an einem gemeinsamen Spiel.

Um 15:00 Uhr hatten wir eine 4er Gruppe komplett. Ich habe den Bewohnern erklärt wie das Spiel funktioniert. Sie waren sehr motiviert und die Bewohner waren gut gelaunt. Wir hatten einen sehr schönen Nachmittag gehabt und mussten viel lachen. Wir wollten immer weiter spielen, jedoch war die Zeit dann schon um. Ich habe die Bewohner gefragt wie sie es gefunden haben. Alle sagten, dass es ihnen viel Spass gemacht hat und sie dies öfters machen möchten, da die Zeit so schnell vorbei geht und sie das Gehirn etwas trainieren können. Bei vielen Bewohner gibt es eine Abwechslung in den Tag, sie vergessen oft auch für kurze Zeit ihre Schmerzen oder Sorgen, was sehr schön ist zu sehen.

Um 16:30 haben Eva und ich alles dokumentiert und noch fertig aufgeräumt. Danach haben wir den Tag zusammen reflektiert und geschaut wo es Verbesserungen geben kann und wo man vielleicht die unnützen Arbeitsgänge sparen könnte. Um 17:00 hatte ich Feierabend und fuhr mit dem Velo wieder nach Hause. 

2. Tag (07.11.2023)

Um 8:00 Uhr kam ich wie beim vorherigen Einblickstag wieder mit dem Velo in die Sonnhalde und freute mich sehr auf den Tag. Ich habe noch nicht gewusst was mich in den nächsten 8 Stunden erwartet und genau das machte es spannend. Eva und ich haben den Tag geplant und besprochen wer welche Aufgaben übernimmt. In unserem Speisesaal auf den Tischen hat es Dekoration gehabt welche jetzt von Herbst auf Winter gewechselt werden mussten. Ich habe den Auftrag bekommen alle Dekorationsgläser zu holen, alles abzuwaschen und zu entsorgen. Auch solche Aufgaben gehören zur Aktivierung. Ebenso das ganze planen der Woche. Nachdem kam jemand aus der Hauswirtschaft und informierte uns, dass es noch gewaschenen Beinbinden hat welche aufgerollt werden müssten. So schnell kann sich ein Plan ändern. Ich habe die Beinbinden in einen Wäschekorb gelegt und habe mir zwei Bewohnerinnen geschnappt von denen ich wusste, dass sie fertig sind mit dem Frühstück und diese Aufgabe gerne übernehmen und sich auch gerne unterhalten. Wir haben uns in den Schlossblick gesetzt und haben zusammen geschaut wer wo Hilfe braucht. Die Arbeit dauerte ca. 1 Stunde. Es war sehr spannend zu erfahren, wie sie früher gelebt haben und wie sich in der letzten Zeit alles verändert hat. Ich als junge Frau kann sehr viel von den älteren Menschen lernen. Ich sehe das Leben leichter und bin dankbarer für verschiedene Dinge wie z.B. unser Bildungssystem in der Schweiz, die Menschenrechte und die sichere Umgebung. Früher war nicht immer alles ganz so einfach, wie ich aus den Geschichten der Bewohnerinnen gehört habe. 

Um 9:45 Uhr gingen Eva und ich in die Pause. Wir haben etwas gegessen und getrunken, bevor es weiter ging. Eva hat mir einen neuen Auftrag gegeben, welcher für mich eine Herausforderung war. Sie hat mir drei Namen von Bewohner aufgeschrieben, mit denen ich raus an die frische Luft gehen soll. Etwas spazieren und die letzten Sommersonnenstrahlen geniessen gehen. Wenn man es so hört, eigentlich eine ganz simple Aufgabe, jedoch steckt da mehr dahinter. Es waren verschiedene Bewohner, welche alle ein anderes Problem (psychisch/körperlich) haben. Ich habe mit Eva zuerst gelernt, wie man am Besten mit ihnen kommuniziert. In der Pflege ist es nicht so schwierig, denn es ist eine Gewohnheit welche sie kennen, doch dass jemand mit ihnen raus geht und so direkt fragen kommt kann jemand schnell überfordern, da es nicht etwas Alltägliches ist. Zudem war es nicht das wärmste Wetter. Viele Bewohnerinnen und Bewohner haben kalt und möchten sich lieber drinnen aufhalten. Ich habe zwar bei zwei Bewohnerinnen die richtige Kommunikationstechnik angewendet, habe jedoch respektieren müssen, dass sie nicht mit nach draussen kommen möchten. Ich habe bei Eva Rat geholt und wir haben zusammen besprochen, dass es nicht unbedingt etwas Negatives bedeutet wenn jemand nicht mitkommen möchte. Ich habe mit ihnen ein kurz Gespräch geführt, nicht draussen sondern einfach im Zimmer, dies freut die Bewohner und Bewohnerinnen auch wenn jemand zuhört und sich Zeit für sie nimmt. Bei der dritten Bewohnerin hat es jedoch dann funktioniert, ich habe den Rollstuhl geholt und sie warm angezogen, sie hat sich sehr gefreut, dass jemand mit ihr raus an die letzten Sonnenstrahlen geht. Wir gingen schauen, ob man einen Ausblick auf die Berge hat. So kamen wir auf das Thema Winter und das Skifahren. Sie erklärte mir, dass sie früher auch auf den Ski war. Sie hatten jedoch keinen Skilift. Sie musste immer und immer wieder den Berg hoch gehen, so verging schnell ein ganzer Tag mit viel Anstrengung und wenig Abfahrten. Sie sagt es seien schöne Zeiten gewesen. Das Schönste an so einem Tag sei gewesen, am Abend müde nach Hause zu kommen und etwas feines zu Essen auf dem Tisch zu haben. Es berührte mich sehr, da es in unserer Gesellschaft  heute absolut normal ist, dass man einen Skilift hat und dies oftmals gar nicht schätzt.

Nach den Kurzaktivierungen mussten wir vor dem Mittag einige Sachen dokumentieren und planten für den Nachmittag, da es noch einen Erinnerungstreff gab. Wir mussten einiges vorbereiten und auch noch einen Bewohner fragen was er sich zur Weihnachten wünscht. Auch dies eine nicht ganz eine einfache Aufgabe, da viele Bewohner wie schon geschrieben, gar keinen expliziten Wunsch haben.

Wir haben um 12:30 Uhr Mittagspause gemacht und über unser Privatleben geredet, es war sehr spannend, auch die persönliche Seite von anderen Mitarbeiter kennenzulernen. Nach dem Mittag ging es nochmals weiter mit dem befragen nach den Weihnachtswünschen. 

Als wir alles dokumentiert und vorbereitet haben durfte wir die Spiele vorbereiten für am Nachmittag, auch dies stand parallel noch auf dem Programm. Hier wusste ich kurz nicht wie man das alles schaffen sollte. Um 15:00 Uhr war der Erinnerungstreff einer verstorbenen Bewohnerin. Ich ging verschiedene Bewohnerinnen und Bewohner fragen, ob sie ein Spiel machen möchten und begleitete sie nach unten, immer wieder habe ich auf die Zeit geachtet. Ich habe mit dem Spiel begonnen und wurde dann von einer freiwillige Helferin abgelöst, damit ich die anderen Bewohnerinnen und Bewohner für den Erinnerungstreff holen konnte.

Um 15:00 Uhr startete der Erinnerungstreff. Ich selber war noch nie bei einem solchen Anlass dabei, umso spannender war es. Eva hat zuerst etwas über die Bewohnerin erzählt. Sie erzählte wie sie früher gelebt hat, wo sie aufgewachsen ist, ob sie Kinder hatte und was sie gearbeitet hat usw. Sehr spannende Dinge hat man erfahren. Es waren Emotionen dabei, welche man nicht so wirklich beschreiben konnte. Einerseits tat es weh, dass sie verstorben ist und andererseits war man froh konnte sie gehen, da sie sich dies wünschte und sehr viele Schmerzen und Diagnosen welche unheilbar waren gehabt hatte. Wir haben ihre Lieblingsmusik abgespielt und Kerzen angezündet um das letzte mal von ihr Abschied nehmen zu können. Ich war am Schluss des Treffs ganz anders als vorher. Ich war erleichtert und habe verstanden um was es geht. Ich konnte so ihren Tod besser verarbeiten und mir ist bewusst geworden das Trauer dazu gehört und man dies auch zulassen darf.

Als der Treff um 16:00 Uhr beendet war, war es aber auch irgendwie ein komisches Gefühl. Nicht nur beim Personal welches anwesend war, sondern auch bei den anwesenden Bewohnern. Der Alltag war schon wieder da, das Programm musste weitergehen. Das ging alles so schnell und trotzdem war es richtig so. Man muss „abschliessen“ können sagte mir Eva. Nachdem gab es wieder viel aufzuräumen und zu dokumentieren. Eva und ich haben den Tag besprochen und reflektiert, was für mich sehr hilfreich war um dann am Feierabend eben ,,abschliessen“ zu können. 

Und schon war wieder 17:00 und Zeit um Feierabend zu machen. Ich bedantke mich bei Eva für die zwei tollen Tage bei ihr und war froh einen Einblick zu bekommen. Danach erwartete mich mein Privatleben, so richtig abschalten konnte ich nicht. Es war noch speziell, dass ich alles für mich nochmals reflektieren musste. Wenn ich in der Pflege jeweils Feierabend habe kann ich mit der Zeit ganz gut abschalten, heute ging es jedoch nicht so leicht. Ich wusste jedoch an was es liegen könnte. Die Aktivierungstage waren für mich mit viele neuen und spannenden Situationen gefüllt, welche ich mir nicht gewöhnt war. Ich ging dort hin habe meine 8 Stunden gearbeitet und es war schon wieder vorbei, alles ging so schnell, ich habe so viel Erfahrungen sammeln können in so einer kurzen Zeit. Ich würde es jedem weiter empfehlen in der Aktivierung Einblickstage absolvieren zu gehen, um den Alltag auch einmal von einer anderen Seite zu erleben. 

Mein Fazit

Ich fand es einen sehr spannender Einblick. Es war abwechslungsreich und nie langweilig. Man hatte immer etwas zu tun und sah den Arbeitsalltag einmal von einer anderen Seite. Man lernt auch die Bewohnerinnen und Bewohner auf einen andere Art kennen. Ich fand es sehr berührend, wie sie uns so viel von ihrem Leben erzählt haben. Man kann viel von alten Menschen lernen und sieht das Leben dann ganz anders. Es wurde mir bewusst, dass man mit kleinen Dingen eine grosse Freude bei den Bewohnerinnen und Bewohner bereiten kann. Zudem habe ich aktiv gelernt wie man Ressourcen fördern und aufrecht erhalten kann. Ich finde es gut hat man diese Einblickstage in der Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit, um wie schon erwähnt einem anderen Blickwinkel in den Alltag zu bekommen. Ich würde es auf jeden Fall weiter empfehlen. In der Aktivierung braucht es Menschen, welche gerne etwas mit den Händen arbeiten aber auch gut zu hören können und viel Fantasie und Kreativität haben.

Autor: Irina Leuenberger Fachfrau Gesundheit 2. Lehrjahr